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Was bringt das Verbot von "Killerspielen"?

29. April 2002 / von Leonidas / Seite 1 von 1


Im eigentlich ist es unsererseits vermessen, uns so kurz nach den Ereignissen von Erfurt jetzt schon wieder dem Thema Pro und Contra der derzeit von den Medien gern als "Killerspiele" bezeichneten Computer-Applikationen anzunehmen. Es gibt in der Tat derzeitig wohl wichtigeres als das Wohl und Wehe einiger Computerspiele.

Jedoch wurde schneller, als wir uns das hätten jemals träumen lassen, die Tür zu dieser eigentlich nicht neuen Diskussion aufgestoßen. Wenn nur einen Tag "danach" der Kanzlerkandidat und bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber bereits den alleinig Schuldigen ausgemacht hat und wenn über das komplette Wochenende und wohl auch noch die gesamte laufende Woche bei diversen TV-Sendern sensationell tendenziöse Berichterstattung contra der "Killerspiele" läuft, ist es kein Wunder, wenn sich in aktuellsten Umfragen um die 80 Prozent der Befragten gegen jene "Killerspiele" aussprechen - und wenn wir dann hier antworten müssen, egal ob wir den Zeitpunkt ob der noch nicht abgeschlossen polizeilichen Ermittlungen für zu früh halten.


Unser Ansatzpunkt an dieser Stelle soll aber nicht das Beharren auf der Position der weitgehenden Ungefährlichkeit der sogenannten "Killerspiele" sein. Wenn es denn wirklich jemanden hilft, zu verstehen, was da passiert ist - bitte, wenn es für eine gute Sache ist, dann spielen wir auch den Sündenbock. Doch: Erfurt wird wieder passieren - ob "Killerspiele" verboten sind oder nicht! Jeder, der wirklich will, daß sich Erfurt nicht wiederholt, muß wohl oder übel dieser Wahrheit ins Angesicht blicken - und danach viel tiefer graben.

Doch nehmen wir einmal an, dieses Verbot wäre da: Man sagt gern landläufig, daß während der Prohibition in den Vereinigen Staaten mehr getrunken wurde als jemals zuvor. Auch wenn dies nicht ganz stimmen mag - gebracht hat die Prohibition eigentlich gar nichts. Und warum? Weil seinerzeit bei den Bürger einfach kein Unrechtsbewußtsein vorhanden war, wenn man gegen dieses Gesetz verstoß - und dies auch nicht über die lange Zeit (14 Jahre), die es galt. Und ohne diese Akzeptanz für ein Gesetz läßt sich wohl kaum eines wirklich durchsetzen.

Nun sind die Spieler dieser "Killerspiele" zwar nicht "die Bürger", aber zumindestens ein Teil von ihnen - nach Schätzungen wohl eine halbe Million in Deutschland. Und unter diesen wird sich selbst nach einem Verbot wohl kaum ein Unrechtsbewußtsein bezüglich dem Konsum der sogenannten "Killerspiele" herausbilden. Egal wie ausgefuchst der Staat bei der Einhaltung eines solchen Gesetzes hinterher wäre - es gibt einen nicht gerade kleinen Markt und es gibt keinerlei Unrechtsbewußtsein unter den Marktteilnehmern. Damit wird der Markt weiter existieren - ob nun legal oder dann eben illegal.

Die Spieler werden sich nach einem totalem Verbot ihre Spiele schlicht aus dem Ausland besorgen und über das Internet informieren bzw. in diesem miteinander spielen - kein Gesetz wird das verhindern können. Nur über die extreme Verschärfung von Zollkontrollen zur Verhinderung dieses Flußes von verbotenen Spielen nach Deutschland und durch die gnadenlose Zensur auch des Internets zur Verhinderung des Informationsflußes wäre ein solches Verbot überhaupt durchsetzbar. Ersteres kostet Unmengen an Personal und Zeit und damit Geld, welches der Staat nicht hat, letzteres ist als "Internet-Zensur" in einem demokratischen Staat politisch so gut wie nicht durchsetzbar.

Unter dieser Konstellation ist es nahezu unmöglich, ein solches Verbots-Gesetz wirklich zu einem zählbarem Erfolg zu bringen. Diejenigen, welches es betrifft, sind mit einer fast totalen Einigkeit dagegen und werden sich also nicht an dieses Verbot halten - und rein technisch gesehen erscheint es zudem unglaublich schwer durchsetzbar.


Doch warum wird ein solches Verbot dann aber gefordert? Nur weil es sich sowohl für Politiker im Wahljahr als auch für Einschaltquoten-geile Medien besser gestaltet und einfacher als der kompliziertere Weg? Ist das die Antwort, die den Angehörigen der Opfer und den Augenzeugen von Erfurt überbracht werden soll?

Der kompliziertere Weg heißt jedoch: Weg von der Frage, warum der Täter seine Opfer tötete. Die eigentlich entscheidende Frage ist doch: Was treibt einen 19jährigen, am Anfang seines Leben stehenden, mehr oder weniger normalen Menschen ohne offensichtliche Probleme im Elternhaus dazu, sein Leben zu beenden? Denn: Verhindert man seinen Suizid, verhindert man auch das Massaker, welches er angerichtet hat.

Leider sehen wir momentan eine Vorverurteilung der Computerspiele und damit auch der Computer-Spieler in ungeheurem Ausmaße - und dabei sollte das Recht auf Urteile wenn dann doch wohl nur der Justiz dieses Landes vorbehalten sein. Um wirkliche Aufklärung zu erhalten, wäre dagegen derzeit ein ruhiges und besonnenes Handeln gefragt. Hierzu wäre als allererstes der Abschlußbericht der zuständigen Ermittlungskomission der Polizei abzuwarten.

Was jetzt passiert, ist nicht nur ein ungerechtfertigtes Kesseltreiben mit dem Ziel von Wählerstimmen, sondern auch ein zusätzlicher Schlag ins Gesicht der Angehörigen der Opfer und der Augenzeugen. Insbesondere diese hätten es verdient, daß zuerst akribisch ermittelt und erst danach seriös und bedachtsam über mögliche Konsequenzen geredet wird. Es ist eine Schande für unsere Politiker, auf dem Rücken dieser so hart gestraften Menschen jetzt ihren Wahlkampf auszutragen. Und es wird damit wieder mehr junge Menschen geben, die der nächsten Wahl und damit der Politik den Rücken kehren, was mit Sicherheit nicht gut für die Demokratie in diesem Land ist.

Um noch einmal kurz zur Fragestellung dieses Artikels zurückzukommen: Bringt uns ein Verbot der "Killerspiele" etwas? - Es bringt uns nichts, weil nicht durchsetzbar. Bewußt nicht mit in diesen Artikel aufgenommen wurde das Thema der momentan sehr häufig anzutreffenden Falschdarstellung von diversen Medien beim Thema "Killerspiele", wo zum Beispiel ausschließlich über Spiel X gesprochen wird, aber ausschließlich Szenen von Spiel Y gezeigt werden. Ebenfalls bewußt kein Thema war die mittlerweile alte Diskussion von Psychologen und Experten, ob denn die sogenannten "Killerspiele" wirklich Aggressionen fördern oder nicht. Beides sind Dinge, welche derzeit schon ausdiskutiert werden - der Punkt, ob denn ein Verbot wirklich irgendetwas bewirken würde, wurde jedoch bisher überhaupt noch nicht beachtet.


Man lasse mich abschließend noch zwei persönliche Einschätzungen anmerken:

1.    Ich sehe nicht ein, wieso ich diese sogenannten "Killerspiele" mit ihren virtuellen Kriegshandlungen für eine Politik aufgeben soll, welche nicht in der Lage ist, die täglich sich neu auf diesem Planeten abspielenden realen Kriegshandlungen zu beenden - welchen diesen sogar teilweise Desinteresse entgegenbringt. Das in meiner Meinung nach die dringendere Aufgabe.

2.    Kinder wachsen heutzutage nicht mit ihren Eltern auf, sondern neben diesen. Und dies gilt meiner Meinung nach nicht nur für verrüttete Familienverhältnisse, sondern ist leider die Norm. Wir parken unsere Kinder nicht nur vor dem Fernseher - sondern im eigentlichen auch in der Schule (in welcher es kaum noch pädagogische Betreuung gibt) und insgesamt wohl zu 90 Prozent des Tages. Die meisten Eltern wissen nicht, was ihre Kinder vor dem Computer alles treiben - und wenn dieses grundsätzliche Wissen fehlt, wie sollen die Eltern dann eigentlich ihre Kinder wirklich kennen?


Links zu aktuellen Meldungen und Artikeln zum Thema:






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